Meine Oma und ihre Weisheit
Liebe Menschen,
ich habe schon immer Fragen gestellt …
Zahlen-Daten-Fakten sind nur EINE Facette der Gegenwart – ich möchte Euch (m)eine sehr persönliche Geschichte erzählen:
Meine Oma war Jahrgang 1902 – sie hatte viel gesehen, viel erlebt. … und sie war sehr weise und vor allem ehrlich.
Als junges Mädchen hab ich sie gefragt, wie es zum 3. Reich kommen konnte – vielleicht auch mit leichten Unverständnis in der Stimme. Überheblichkeit der Jugend …
… und sie erzählte – offen, ehrlich, ungeschminkt. Für meine „Überheblichkeit“ habe ich mich schnell geschämt …
In ihren Worten konnte ich die Zeit spüren, in der sie damals gelebt hatten – die Angst, wenn das, was man heute an Geld bekam, morgen nicht mehr für’s Brot reichen würde – der sehnliche Wunsch, endlich zu LEBEN und die Schrecken des Krieges zu vergessen. Eine Mischung aus dem Gefühl, jedes noch so kleine Vergnügen bis zur Neige auskosten zu müssen, und tiefer Verzweiflung – die sich bei vielen in Wut ausdrückte. Oder in Neid auf die, die es besser hatten. Oder einfach in „nur nicht nachdenken – ich werde überleben“ …
Sie begann:
„Es war für Hitler ein Leichtes, die Wut und den Neid auf eine Gruppe „Schuldiger“, die Juden, zu lenken. Seine Propaganda fiel bei einigen auf fruchtbaren Boden.
Aber viele von uns wollten einfach nur Licht am Ende des Tunnels sehen. Seine Versprechen waren wie ein Strohhalm zum Festhalten.
Viele von uns haben nicht im Entferntesten ermessen können, wie ernst er es meinte, die Juden aus unserer Gesellschaft zu verbannen, zu entfernen. Wir haben es einfach überhört – oder überhören wollen. Wir haben– in der Hoffnung, dass sich jetzt endlich alles zum Guten wenden würde – vieles geschehen lassen. Zugeschaut – weggeschaut. … und je länger die Repressalien gegen die Juden dauerten, je schlimmer sie wurden, desto gefährlicher wurde es auch für uns, etwas dagegen zu sagen. Und dann nahm alles seinen Lauf – den kennst Du.
Von dem, was wirklich in den Lagern geschehen ist, wussten wir nicht viel. Wollten wir es wissen? Und selbst wenn wir es mehr als geahnt hätten – was hätten wir zu dem Zeitpunkt noch tun können?“
Ich werde nie vergessen, wie ihre Sätze mit jedem Wort leiser wurden.
… und ich musste daran denken, was sie zuvor von „Früher“ erzählt hatte, wie sie mit immer neuen Einfällen ihre Familie durch den Krieg gebracht und sich dabei, trotz allen Widrigkeiten, ihre Zuversicht und ihr Lachen bewahrt hatte …
Dann wurde ihre Stimme wieder fester: „Kind, das Leben ist schön – aber versprich mir, dass Ihr nicht unsere Fehler wiederholt. Hört genau hin, lest zwischen den Zeilen und achtet genau darauf, was jemand, der Euch etwas verspricht, WIRKLICH im Sinn hat. Lasst so etwas NIE wieder zu!“
Ja, Oma, ich versprech’s Dir!“, habe ich ihr – beeindruckt und ernst – aber in der Ahnungslosigkeit einer 16-Jährigen geantwortet.
Wie sollte so etwas je wieder geschehen?
Ich habe schon so oft über gegenwärtige „Zahlen-Daten-Fakten“ und meine Fragen dazu geschrieben – ich will sie hier nicht alle wiederholen oder neue hinzufügen – jeder kann selber „zwischen den Zeilen“ der Medien lesen und sich seine eigene Meinung bilden.
Aber in dieser Zeit – in diesem immer wieder so aggressiv verbreiteten „Irgendjemand muss schuld sein“ – spüre ich das, was ich als Jugendliche spürte, als meine Oma mir von „damals“ erzählt hat – es hat für mich eine sehr ähnliche Energie, auch wenn die äußeren Umstände anders sind.
Jetzt wisst Ihr, warum ich in diesem Wirrwarr der Ausgrenzungen – egal von welcher Seite – nicht mitspiele und nicht mitspielen kann – ich habe es versprochen …
… ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass wir einen Weg finden, gemeinsam aus der Krise herauszukommen, statt uns gegeneinander aufhetzen zu lassen …
… ich wünschte mir, wir würden uns von UNSEREN eigenen Gefühlen & Ängsten erzählen, uns mit dem Herzen SEHEN, statt uns von Zahlen-Interpretationen in Panik versetzen zu lassen – statt uns die Geschichten, die uns Politiker, Influencer und Medien vorbeten, zu eigen zu machen und uns gegenseitig zu be- oder verurteilen – statt uns gegenseitig mit all den Worst-Case-Szenarien, egal von welcher Seite, Angst zu machen.
Was ich zu geben habe, gebe ich, bin DA, öffne meine Tür und meinen Raum …
Manchmal erscheint es mir zu wenig, manchmal verliere ich den Mut. Aber dann denke ich an meine Oma … und gehe weiter … wie so viele andere großartige, wundervolle Menschen …
Wir sind so viele – im Herzen verbunden …
Was ist DEINE Geschichte? Wie geht es Dir WIRKLICH, ehrlich – ganz tief in Dir?
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