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Unter der Oberfläche …

Über Bewertungen und das, was oft unter dem Offensichtlichen verborgen bleibt …

Zwei Menschen, begegnen sich – der eine trägt eine Maske, der andere nicht. Früher haben sie sich freundlich zugenickt, sich einen guten Tag gewünscht. Jetzt schauen sie sich wütend an. Es fallen keine Worte, aber der Hass baut sich in Sekundenschnelle wie eine Mauer zwischen ihnen auf.

Der eine hat seine geliebte Frau zuhause, der er gerne nahe ist. Aber sie ist sehr krank und jede Infektion wäre ein lebensbedrohliches Risiko für sie. Seit Corona ist ihm noch deutlicher bewusst geworden, wie fragil das Leben für sie ist – wie kostbar ihre gemeinsame Zeit ist. Er würde alles tun, sie vor Gefahren zu schützen.

Der andere erlebt gerade wieder, wie es sich anfühlt, wenn jemand Macht über ihn und sein Leben ausübt. Hat er nicht in seiner Vergangenheit genug Drohungen und Repressalien erlebt? All diese alten Gefühle kommen jetzt mit ungeahnter Stärke wieder in ihm hoch, wenn er die Masken sieht. Er möchte schreien, allen erzählen, wie wertvoll die Freiheit ist. Auch wenn sein Verstand ihm sagt, dass Freiheit nicht mit einer Maske verloren gehen muss, kann er sich doch gegen die Macht seiner Gefühle nur schwer wehren.

Eine junge Frau geht an den beiden vorbei, nur ihre Augen sind sichtbar, alles andere verschwindet unter Mantel, Schal, Mütze und Maske. Sie blickt herausfordernd auf den Herrn ohne Maske. Ihre Missbilligung ist nicht zu übersehen … Leise murmelnd “wie kann man nur so unverantwortlich sein?” schüttelt sie im Vorübergehen den Kopf.
Was niemand sieht – schon als kleines Kind hat man ihr gesagt, sie tauge zu nichts. Sie würde es nie zu etwas bringen, alles mache sie verkehrt … Jetzt – endlich – darf sie sich als Heldin fühlen. Natürlich bleibt sie tapfer alleine zu Hause, kämpft ebenso tapfer um Luft unter der dichten Maske, wenn sie das Haus doch einmal verlassen muss. Zum ersten Mal im Leben aber hat sie das Gefühl, das Richtige zu tun, zu den “Guten” zu gehören … 

Erfunden? Sicher. Konstruiert? Auch.

Aber wer weiß schon, was in dem anderen gerade vorgeht? Wie leicht ist es zu urteilen?

… und was wäre, wenn die diese „konstruierten“ Menschen sich mit einem „Ich sehe dich“ begegnet wären, ohne sich gegenseitig zu bewerten oder zu verurteilen?

Vielleicht wären sie sogar ins Gespräch gekommen und hätten einen Kaffee miteinander getrunken …

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Die “Maske” in dieser Geschichte möchte – nicht nur, aber auch – ein Symbol, ein Synonym für “Trennendes” sein …

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